Wie wir mit agiler Personalauswahl auf die neuen Anforderungen der Arbeitswelt reagieren

So funktioniert Personalauswahl bei der interpool Personal Gmbh

Das Recruiting neuer Talente wird durch die Knappheit immer schwieriger und Arbeitgeber suchen nach Möglichkeiten, sich attraktiv für nachrückende Generationen im Wettbewerb um Talente zu positionieren. Dabei zählt aus Sicht der Kandidatinnen und Kandidaten immer mehr, wertgeschätzt, gewollt und wirklich gebraucht zu werden. Die VUCA-Welt macht die Auswahl der richtigen Talente aber nicht einfacher: Sie ist geprägt von der Herausforderung, Ziele in immer kürzeren Zyklen überprüfen und neu justieren zu müssen. Die “klassische Diagnostik” stößt zunehmend an Grenzen. 

 

Bei der interpool begegnen wir diesen Herausforderungen mit Hilfe der agilen Personalauswahl. Sie bietet eine Antwort auf Fragen wie: Wie finde ich passende Mitarbeiter:innen, wenn ich noch gar nicht sagen kann, welche Kompetenzen für die Position in wenigen Jahren gefragt sein werden? Wie beurteile ich Bewerber:innen mit unterschiedlichen kulturellen Prägungen? Wie besetze ich Positionen und Rollen, deren Anforderungen mir aufgrund von fortlaufender Digitalisierung selbst noch gar nicht bekannt sind? Wie schaffe ich es, mehr Diversität in mein Unternehmen zu bringen?

 

Was ist agile Personalauswahl?

Die Übertragung agiler Prinzipien auf das Recruiting schöpft sich nicht allein darin, den Auswahlprozess selbst schnell und agil zu gestalten, also z.B. Wasserfälle durch Iterationen zu ersetzen, öfter mal eine Retrospektive oder einfach mehr Feedback. Die agile Personalauswahl muss als Methodik verstanden werden, die zum einen im diagnostischen Prozess offener wird für unerwartete Lösungen und die zum anderen als Merkmal einer Candidate Experience beschrieben werden kann, die anschlussfähiger ist mit der Lebenswelt von Millennials und Digital Natives.

 

Mit der agilen Personalauswahl möchten wir:

  • selbst bei nicht ausreichend präzisierbaren Anforderungsprofilen passende Bewerber:innen identifizieren,
  • selbst bei kulturell unterschiedlichen Verhaltensmustern, Bewerber:innen erkennen, die ihre Aufgaben (anders) gut erfüllen werden,
  • von den Bewerber:innen als offen, flexibel, lernfähig und damit attraktiver wahrgenommen werden.

 

Wie geht das? 

Welche Schritte haben  wir bei interpool unternommen, um unseren Auswahlprozess agiler zu gestalten?

 

Das Anforderungsprofil als User Story

Die „klassische Personalauswahl“ geht von einem Modell der Passung aus, d.h. dass die Bewerber:innen über die für die Zielposition erforderlichen Personenmerkmale verfügen, die wir durch definierte Verhaltensbeschreibungen erkennen möchten. Im Ergebnis führt diese Vorgehensweise zwangsläufig dazu, dass wir uns in unserem Auswahlprozess durch das limitieren, was wir uns bereits im Vorfeld an Eignungsmerkmalen und dafür repräsentativen Verhaltensweisen vorstellen konnten. Bewerber:innen, die uns im Auswahlprozess mit Herangehensweisen konfrontieren oder sogar überraschen, die unseren vorab definierten Erwartungen nicht entsprechen, sind in diesem Verfahren nicht bewertbar bzw. nicht positiv bewertbar.

 

Eine Diagnostik anhand von User Stories ermöglicht es uns, strukturiert die Leistungsdimensionen der Zielposition zu prüfen, ohne dass wir uns auf ein bestimmtes Kompetenzprofil festlegen. Wir können unsere Erwartungen in den User Stories präzisieren und justieren, indem wir einerseits ihren Sinn erläutern (“Warum sind diese Ziele und Funktionen für die Stakeholder wichtig?”) und andererseits Beispiele geben (“Wie könnten Wege aussehen, dieses Ziel zu erreichen?”). Vielleicht gibt es andere – vielleicht sogar bessere – Möglichkeiten, unsere Ziele zu erreichen als mit den Kompetenzen, auf die wir üblicherweise Wert legen. Wir öffnen uns damit für neue Wege und Ansätze. Mit  der User Story konzentrieren wir uns auf das „Wohin“ und „Wozu“ einer Zielposition, nicht auf das „Wie“ und das „Womit“.

 

Selbstreflexion der Beobachtenden als methodischer Ansatz

Theoretisch sind uns als Recruiter und Personaler die Wahrnehmungsfehler (unconscious bias) bekannt. Doch finden sie Eingang in den diagnostischen Prozess? Werden sie bemerkt, reflektiert und aufgenommen? In einer agil inspirierten Personalauswahl setzen wir auf eine bewusste Reflexion und damit Integration unserer subjektiven Wahrnehmungen und Emotionen, um möglichst objektiv bewerten zu können. Was hat die Bewerberin mit ihrem Verhalten bei mir als Beobachter ausgelöst? Was davon deutet auf die Ausprägung ihrer Lösungskompetenz für die Zielposition hin – und was davon ist eher eine Resonanz meiner eigenen persönlichen und kulturellen Prägungen, ohne Relevanz für die zu besetzende Stelle? In der agilen Personalauswahl werden unser Bauchgefühl und unsere intuitiven, subjektiven Zuschreibungen zu einer Beobachtung, die wir deskriptiv dokumentieren und im Anschluss interpretieren müssen, so wie jede andere Beobachtung auch.

 

Candidate Experience: Transparenz, Flexibilität und Perspektivenwechsel

Vermutlich kann sich jeder vorstellen, wie unangenehm es aus Bewerber:innensicht ist, in ein Vorstellungsgespräch zu gehen und nicht genau zu wissen, wonach meine Gegenüber suchen und sich die Frage zu stellen, ob man selbst die richtige für die Position ist. 

 

Wenn Bewerber:innen zu uns kommen, wollen wir uns mit der Hilfe von Transparenz in unseren diagnostischen Zielen durchschaubar machen. Die Gefahr, dass die Bewerber:innen sich sozial erwünscht verhalten, minimiert sich allein schon dadurch, dass wir ergebnisoffen nach Lösungsoptionen suchen und keine vorgefertigte Musterantwort im Kopf haben. Das Bewerbungsgespräch wird zum Bewerbergespräch – nicht die Informationsasymmetrie sondern die Gleichberechtigung führen zu einem authentischen Dialog. Kandidat:innen, die anders geprägt sind als wir, bekommen so die Möglichkeit, unsere Ziele zu verstehen und uns ihre Herangehensweise zu schildern. Hier mal zwei Beispielfragen:

  1. Bitte schildern Sie mir eine Situation, in der Sie Ihr Team zuletzt von einer Idee überzeugt haben.
  2. Auf der Zielposition werden Sie oft Ideen an die Entwicklungsabteilung herantragen, die diese nicht gut findet oder zumindest nicht prioritär einsetzt. Wie gehen mit einer solchen Situation um und welches Ergebnis versuchen Sie zu erreichen? Können Sie mir ein Beispiel aus ihrer früheren Position geben?

 

Bei der Frage b) schildern wir realistisch die Situation, mit der sich die Person auf der Stelle auseinandersetzen muss und lassen es offen, wie sie mit dieser umgeht. 

 

Flexibilität beinhaltet zwar, dass wir strukturiert vorgehen und zu jeder User Story ausreichend diagnostisches Material generieren. Jedoch müssen wir dafür offen sein, die Fragen an die Kandidat:innen anzupassen, wenn wir mit den geplanten Fragen nicht zum Ziel kommen. Außerdem müssen wir Bewerber:innen zweite Chancen geben, z.B. durch die Möglichkeit, eine Aufgabe nach dem Feedback zu wiederholen, um die Lern- und Anpassungsfähigkeit zu überprüfen.

 

Beim Perspektivwechsel wollen wir versuchen, nicht bei unserer ersten intuitiven Bewertung stehen zu bleiben, sondern bewusst zu versuchen, die Logik und Perspektive des Kandidaten zu verstehen. Wenige Wortbeiträge in einer Gruppendiskussion kann vieles bedeuten, z.B. Schüchternheit, mangelnde Sprachkenntnisse, es kann Ahnungslosigkeit verbergen, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit ausdrücken, es kann für Ruhe und Ausgeglichenheit stehen, es kann dem Wunsch nach Effizienz geschuldet sein oder ein langsames Denk- und Arbeitstempo sichtbar machen. Um mehr zu den Gründen zu erfahren, müssen wir den Teilnehmern durch z.B. Selbstreflexionselemente, Feedback oder gezieltes Nachfragen die Gelegenheit geben, uns die Logik ihres Verhaltens zu erklären.

 

Zusammenfassung

Auch für ein agiles Verfahren sind die größtmögliche Objektivität, Reliabilität und Validität

zwingende Gütekriterien. Es gilt auch hier, dass die Ergebnisse des Verfahrens ausschließlich von der Eignung der Bewerber:innen abhängen sollen, und nicht von anderen Faktoren wie bspw. persönlichen Präferenzen der Beobachter:innen. Bei der agilen Personalauswahl handelt es sich um eine Akzentverschiebung, die es uns ermöglichen soll, besser mit den Anforderungen der VUCA-Welt und der Vielfalt der Bewerber:innen umzugehen. Denn wenn Vielfalt kompetent und bewusst eingesetzt wird, kann sie uns helfen flexibel, innovativ und widerstandsfähig mit neuen, unerwarteten und widersprüchlichen Umwelterwartungen umzugehen.